Der Feigebaum
„Sieh doch, mein Kind“, sprach die weise Großmutter eines Morgens mit gleichermaßen liebe- wie sorgenvoller Miene zu ihrer aufmüpfigen Enkelin, „in unserem kleinen Garten wachsen die süßesten Feigen, sie fallen schon fast vom Baum, so reif sind sie. Pflücke sie, solange es noch an der Zeit ist, denn keiner weiß, wann der Baum wieder so wunderbare Früchte trägt!“
„Ja, Großmutter, ja doch!“ entgegnete die aufmüpfige Enkelin in fieberhafter Eile, zog sich noch einmal die geringelten Kniestrümpfe straff und rannte wie besessen aus dem alten Haus. Erst am späten Abend kehrte sie wieder aus dem dunklen Wald zurück, in dem sie immer umherstreunte, völlig erschöpft, mit blutig aufgeschlagenen Knien und ein paar schmutzigen Eicheln in ihren kleinen rissigen Händen. Wie jeden Abend legte sie ihre Beute in die kleine Schublade zu den anderen Eicheln und fiel dann müde und dreckig, wie sie war, in ihr Bettchen, wo sie die Erschöpfung schon bald in einen unruhigen und fiebrigen Schlaf gleiten ließ.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, erfüllte sich die Prophezeiung der weisen Großmutter, und der Feigenbaum im Garten trug keine einzige Frucht mehr. Nur die Großmutter lag leblos, mit liebevoll besorgter Mine unter dem Baum und hielt noch eine letzte Frucht in den kalten, vom ewigen Schlaf erstarrten Greisenhänden, und als dann die Tränen der Reue aus den Augen der Aufmüpfigen zu schießen begannen, und sie noch einmal nach den so vertrauten Händen der Großmutter griff, bemerkte sie, wie die Feige ein wenig zu pulsieren anfing, zunächst ganz zaghaft nur, langsam und sehr leise, dann etwas schneller und regelmäßiger, um dann immer stärker und kräftiger zu pochen, so als trüge sie das Leben noch ein allerletztes Mal zur Schau. Dann aber – mit einem Ruck der Verzweiflung – erstarrte auch diese letzte Frucht und folgte der alten Frau in ihren ewigen, friedvollen Schlummer.
„Ja, Großmutter, ja doch!“ entgegnete die aufmüpfige Enkelin in fieberhafter Eile, zog sich noch einmal die geringelten Kniestrümpfe straff und rannte wie besessen aus dem alten Haus. Erst am späten Abend kehrte sie wieder aus dem dunklen Wald zurück, in dem sie immer umherstreunte, völlig erschöpft, mit blutig aufgeschlagenen Knien und ein paar schmutzigen Eicheln in ihren kleinen rissigen Händen. Wie jeden Abend legte sie ihre Beute in die kleine Schublade zu den anderen Eicheln und fiel dann müde und dreckig, wie sie war, in ihr Bettchen, wo sie die Erschöpfung schon bald in einen unruhigen und fiebrigen Schlaf gleiten ließ.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, erfüllte sich die Prophezeiung der weisen Großmutter, und der Feigenbaum im Garten trug keine einzige Frucht mehr. Nur die Großmutter lag leblos, mit liebevoll besorgter Mine unter dem Baum und hielt noch eine letzte Frucht in den kalten, vom ewigen Schlaf erstarrten Greisenhänden, und als dann die Tränen der Reue aus den Augen der Aufmüpfigen zu schießen begannen, und sie noch einmal nach den so vertrauten Händen der Großmutter griff, bemerkte sie, wie die Feige ein wenig zu pulsieren anfing, zunächst ganz zaghaft nur, langsam und sehr leise, dann etwas schneller und regelmäßiger, um dann immer stärker und kräftiger zu pochen, so als trüge sie das Leben noch ein allerletztes Mal zur Schau. Dann aber – mit einem Ruck der Verzweiflung – erstarrte auch diese letzte Frucht und folgte der alten Frau in ihren ewigen, friedvollen Schlummer.
Feuerzeichen - 11. Jan, 23:58