Gedichte

30
Sep
2010

Aus voller Fahrt

Vor einiger Zeit fuhr sie das Auto ihres Freundes in voll trunkenem Zustand geradewegs an den nächstbesten Baum.

Dies geschah natürlich ohne böse Absicht, wie sie sagt, es täte ihr sehr Leid, aber sie habe plötzlich bremsen müssen, sie sei ins Schlingern gekommen, alle haben ihr gesagt, dass sie bremsen müsste, wenn sie ins Schlingern käme, lieber zu früh als zu spät, das Bauchgefühl, die Sterne, die Hexe, die Psychotherapeutin, bremsen aus voller Fahrt, egal was passiert, haben sie gesagt.

Waren da wirklich Hindernisse im Weg? Natürlich! Und dieser Wagen! Er roch noch ganz neu, war zuverlässig, gutmütig und günstig im Unterhalt. Aber er stank nicht. Er roch einfach nicht nach ihr.

Ja, sie musste bremsen. Dieses ewige Schlingern und Schlittern, dieses ständige Umherdriften auf regennasser Straße, dieser rückhaltlose, lächerliche Eiertanz, all das musste endlich ein Ende haben. Bremsen, aus voller Fahrt, das war es, ja!

Und dann kam der Baum.

Sie sagt, sie hätte das Auto niemals von ihm borgen dürfen.

Er sagt, sie sei eine schlechte Fahrerin und trinke zu viel.

12
Jan
2010

Aneinander vorbei

Manche Menschen weinen wie Blumen,
die an einem feuchten Frühlingsmorgen
die Last der Tautropfen von ihren Blättern schütteln.

Andere wiederum weinen wie alte Kiefern,
deren Harz aus den Scharten ihrer groben Borken tritt,
um zäh an den Furchen der Vergangenheit herabzutropfen.

Die Tränen der einen sind kühl und flüchtig,
die Tränen der anderen trüb und schwer,
und wenn sie umeinander weinen,
weinen sie aneinander
vorbei.

8
Jan
2010

Der Clown

Meine Mutter hat dir einen Clown geschenkt,
Den hast du gedrückt, dann gewürgt und schließlich erhängt.
Das ist lange schon her, längst vergessen, verdrängt;
Meine Mutter hat dir einen Clown geschenkt.

Meine Mutter hat dir einen Clown geschenkt.
Ob er im Clownhimmel ist und immer, wenn er an dich denkt,
Ein paar Tränen aus Eis an seine Lieblingswolke hängt,
Der Clown, den dir einst meine Mutter geschenkt?

Und nachts, wenn er sich durch dein Schlüsselloch zwängt,
Und sich fratzenhaft in deinen angstnassen Träumen verfängt,
Wenn dein Laken sich dann rot färbt von des Clownherzens Blut,
Sag' mir, liegst Du dann --- gut?

20
Jun
2009

Das kleine Mädchen

Nie wieder sprach das kleine Mädchen mit den langen geflochtenen Zöpfen und den stets gierig scharrenden Schrumpelhändchen ein Wort mit ihm.

Stattdessen zog es ein letztes Mal mit stahlblaustarren Gesten die geringelten Strümpfe zurecht – seine Blicke schienen in der Luft stecken zu bleiben –, dann machte es sich endgültig auf in die süßlich-dropsige Klebrigkeit seiner sorgsam erschaffenen Schwarzrosahölle.

Zurück blieb nur die schmerzliche Erkenntnis der eigenen Verantwortlichkeit und – irgendwo zwischen hohen Grashalmen wie beiläufig weggeworfen – ein angebissener Apfel.

7
Apr
2009

Die Vegetarierin

Ab jetzt kein Tier mehr töten,
kein Fleisch mehr essen,
die Natur ist magisch
und poetisch
oder
so.

Und wenn doch, dann Tiere
bitte artgerecht halten,
aber auch Pflanzen –
ohne Giftspritzen
und Gen-
Mais.

Industrien sind pfui, Ethik-Schmutz,
denken nicht, machen Geld,
Smog und Krankheit.
Du protestierst –
gegen
alle.

1
Mrz
2009

Manche Menschen sind wie die Musen

Manche Menschen sind wie die Musen.

Man kann sich der Musen nie sicher sein. Sie kommen und gehen wann immer sie wollen. Wenn sie zu Dir kommen, ist jede Sekunde mit ihnen kostbar - nutze die wenige Zeit. Du kannst Dich auf sie vorbereiten, aber halten kannst Du sie nur, solange sie es zulassen. Schreist Du zu laut nach ihnen, kommen Sie womöglich gar nicht, denn sie lieben die leisen Töne. Sind sie jedoch zu Dir gekommen, versinkst Du mit ihnen - tief im Meer des Augenblicks.

Manche Menschen sind wie die Musen.

26
Dez
2008

Armes Kind

Du, ein Blau
mit Armen,
ein Rückschnitt
von linierten Haaren,
die schon lange nicht mehr glänzen.

Du, ein Kind,
das den Rücken zukehrt,
um wie eine Qualle umherzudriften,
sich ständig selbst abbildend und sich schön findend
in der eigenen Zahnspangenhässlichkeit.

Du, umgeben von Plakativem,
von wilden Farben, wabernden Formen und flirrenden Worten ohne Rückgrat, pastellverschwommene Haltlosigkeit im Kaleidoskop der eigenen Ängste, butterweiche Aggression, die Stimme hochgeterzt, wispernd, hilflos vertuschend die Untiefen der eigenen Schamesröte.

Du, ein armes Kind.

Selbstbekenntnis

im plutonischen zirkel

schleife, zerreibe, zerstöre!
nimm das was ist
und nimm keine rücksicht
die sehnsucht nach zerlegung
führt dich -
alles weg, neues schaffen!
neu die leere füllen,
dein inneres regierend und
wie einen knüppel um sich schleudernd,
bis du hängen bleibst am nächsten
hindernis, dich darin verwächst,
um es schon bald von innen zu sprengen
und weiter deine kreise zu ziehen -
ohne ziel,
gefangen
im plutonischen zirkel.

(Ein lyrischer Beitrag, verfasst von "Anatolda", ursprünglich gepostet auf http://kreativ.lilith-band.de, übernommen mit freundlicher Genehmigung der Autorin, die hiermit die Problematik der Ausweglosigkeit krankhafter Zerstörungswut sehr klar zum Ausdruck bringt.)

17
Dez
2008

angst

angst,
siebenmal angst,
siebenhundert ängste
siebentausendfach gespiegelt
im kaleidoskop der eigenen seele.

angst,
siebenmal angst,
siebenhundert ängste
siebentausendfach verdrängt
siebentausendfach – undeinmalzuviel.

13
Dez
2008

:

auf und zu.
auf zu
neuen ufern
und
. (punkt)

hin und weg!
hinweg
den ballast
und
! (ja)

ab und zu?
ab zu
dir
und
? (dann)
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Silberdisteleien

Die Lust an der Ästhetik des Störrischen

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